Pferdegestütztes Coaching – KÖRPERWAHRNEHMUNG

Auszug aus meinem Buch „Der wahre Reitlehrer ist das Pferd“,
Verlag Spiritbooks, ISBN 9783946435525

Sabrina besuchte mich nach über zwanzig Jahren. Es war Februar und das Wetter kalt und regnerisch. Ich war gesundheitlich etwas angeschlagen. Für einen gemeinsamen Ausritt fühlte ich mich zu schwach und für Reitunterricht war ich zu heiser. Ich konnte mehr oder weniger nur flüstern. Wir standen im Auslauf zwischen den Pferden und unterhielten uns und Sabrina sagte: 

„Eigentlich bin ich ganz froh, dass das mit dem Reiten nix wird. Mit fremden Pferden weiß ich eh nicht, woran ich bin. Da fühl’ ich mich immer ganz schnell verunsichert. Richtig wohl fühle ich mich nur auf meinem alten Wallach. Meine junge Stute hingegen ist oft unleidig. Seit sie mich mal getreten hat, traue ich ihr nicht mehr so richtig über den Weg.“ 
Ich fragte sie noch ein wenig über das Ereignis und über ihr allgemeines Zusammenleben mit diesem Pferd aus. Dann war ich mir sicher, dass es zwischen den beiden um das Thema Grenzen ging. Ich betrachtete meine Pferde und überlegte, welches von ihnen wohl am besten geeignet wäre, um Sabrina das nötige Bewusstsein zu vermitteln. Ich entschied mich für Messa. Nun händigte ich Sabrina das Halfter aus und bat sie, Messa in das abgezäunte Viereck zu holen. 

Messa ist ein sehr feinfühliges Pferd. Sie weiß ihre eigenen Grenzen zu wahren und auch zu verteidigen. Sie lässt sich am Kopf nur an der Nase berühren, außer, wenn sie angebunden ist. Außerdem ist sie mit feinsten Fingerzeigen in jede gewünschte Richtung zu dirigieren. Sie ist ein sehr höfliches Pferd und erwartet das auch von den Menschen. Wenn man sie unter Druck setzt, rennt sie weg. Hat sie diese Möglichkeit nicht, kann sie ihren Ärger darüber durchaus auch anders, etwa mit buckeln, ausdrücken. 

An Sabrina’s Körperhaltung sah ich, dass sie unsicher war und Messa sah es ebenso. Sie ging von Sabrina weg und ließ sich erst nach einiger Zeit aufhalftern und ins Viereck führen. Ich löste den Strick von ihrem Halfter und Messa konnte sich frei bewegen. Ich gab Sabrina folgende Aufgabe: 

„Bitte bewege die Stute, ohne sie dabei zu berühren. Lass sie eine Runde im Schritt gehen, dann eine Runde traben, danach bremse sie ab, drehe sie in die andere Richtung und wiederhole das Ganze.“ Erstaunt blickte Sabrina mich an. 

„Das ist leicht, das kann ich“, sagte sie und machte sich mit Eifer an die gestellte Aufgabe. Sie ging schnell und mit ausgreifenden Schritten auf das Pferd zu. Messa rannte sogleich im hektischen Trab davon und statt Schritt und Trab zeigte sie Trab und Galopp. Den Kopf und Hals hatte sie dabei nach außen gewandt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass sie ihre persönlichen Grenzen eindeutig überschritten empfand. Im Galopp buckelte sie sogar und trat in Sabrina’s Richtung aus. Insgesamt waren das Anzeichen dafür, dass der menschliche Druck für sie viel zu hoch war. 

Die gestellte Aufgabe und das Gezeigte stimmten überhaupt nicht überein. Nach einigen Runden griff ich ein und bremste beide ab. Ich fragte Sabrina nach ihren Eindrücken. 

„Was hast du bei Messa und bei dir beobachtet und wie habt ihr die Aufgabe gelöst?“

„Bis aufs Buckeln lief es eigentlich ganz gut“, befand sie. Nach kurzem Nachdenken gab sie aber zu, dass sie auch im Umgang mit ihrer eigenen Stute sehr schlecht einschätzen kann, wann Grenzen überschritten werden. Sie konnte den Druck, den sie dem Pferd machte, bei sich nicht wahrnehmen. 

Während dieser Unterhaltung hatte sich Messa dicht zu uns gestellt. Sie leckte und kaute, ein Anzeichen dafür, dass sie den Gedanken- und Gefühlsprozess von Sabrina genau mitverfolgte. Ich machte sie darauf aufmerksam und Sabrina wandte sich dem Pferd zu. Sie hob ihre Hand und wollte sie am Kopf streicheln. Messa wandte diesen ab. 
„Das ist mir zu intim“, war ihre klare Botschaft. Sabrina war enttäuscht. 

„Probier doch, ob Du sie an der Schulter berühren kannst“, empfahl ich ihr. Das ging. Währenddessen erzählte sie mir, dass sie selbst ein hohes Bedürfnis nach engem Körperkontakt zu Pferden hat. Sie fühlt sich zurückgewiesen, wenn das Pferd das nicht duldet. Ich erinnerte sie daran, dass jedes Lebewesen das Recht hat, mitzuteilen, wenn seine Grenzen überschritten werden. Diese Grenzen sind aber mit steigender Vertrautheit durchaus verhandelbar. 

Ich leitete Sabrina zu einem Body-Scan, einer bewussten Körperwahrnehmung, an. Dabei stellte sie fest, dass sich ihr Zwerchfell sehr angespannt anfühlte. Ich bat sie, ihre Aufmerksamkeit dorthin zu lenken und darauf zu achten, ob sich denn dort ein Gefühl oder eine Emotion zeigt. 

„Ich war frustriert, weil Messa gleich am Anfang vor mir und dem Halfter davongegangen ist. Ich habe mich von ihr blamiert gefühlt,“ bekannte Sabrina. Ich lud sie ein zu fühlen, was denn ihrem Zwerchfell gut tun würde und womit sie es entspannen könnte. Währenddessen hatte sich Messa genähert. Sie stand mittlerweile vor Sabrina und schnaubte ab. Sabrina atmete ebenfalls mehrmals tief ein und aus. Ich schmunzelte, denn nun trainierte das Pferd den Menschen. Nach einiger Zeit stellte Sabrina fest, dass sich durch die tiefe Atmung die Anspannung in ihrem Zwerchfell verändert und gelöst hatte. Nun bat ich Sabrina, ihren Atem weiterhin bewusst wahrzunehmen und gleichzeitig die anfangs gestellte Aufgabe mit Messa zu wiederholen. Was ich nun sah, war ein sehr harmonisches Miteinander. Sabrina näherte sich langsam der Stute. Messa ging entspannt ruhigen Schritt oder langsamen Trab. Sabrina konnte sie mit sparsamen Handzeichen bewegen und stoppen. Messa schnaubte und kaute zufrieden ab. Kein Druck, jeder achtete die Grenzen des anderen. Sabrina standen Tränen in den Augen, sie war innerlich tief bewegt. 

„Ich wusste nicht, dass so etwas mit Pferden möglich ist! Messa hat so fein reagiert und die Unterschiede in meiner Atmung wahrgenommen! Mein Fokus, meine Aufmerksamkeit war nicht mehr auf die möglichst erfolgreiche Bewältigung der Aufgabe gerichtet oder darauf, möglichst gut dazustehen, sondern nur auf die Verbindung zu meinem Körper und zum Pferd. Und daraus ist so ein schönes Miteinander entstanden! Wow!“ Sie nahm Messa das Halfter ab, dankte ihr und entließ sie in die Herde. 

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Veröffentlicht von PfERDEmenScHEN - Herzbegegnungen

Master Heroes Journey Instruktorin, Coach für systemisch-schamanische Aufstellungen, Schamanische Lebensbegleitung, Reitlehrerin, Dipl. Shiatsu-Praktikerin, Autorin